Immer wieder hört man in der Diskussion über den Klimawandel den Begriff der Kipp-Punkte. Diese Punkte stellen ein hoch relevantes Verhalten im Klimasystem dar, da es bei Erreichen dieser Punkte zu schwerwiegenden Problemen kommen kann. Daher wollen wir uns heute mit den so genannten Kipp-Punkten oder auch Kipp-Elementen auseinandersetzen und der Sache mal etwas auf dem Grund gehen….
Zunächst wollen wir uns den Begriff des Kipp-Punktes an einem (Gedanken-)Experiment verdeutlichen. Um sich das Prinzip eines Kipp-Punkts besser vorstellen zu können, kann man sich einen Stuhl zur Hand nehmen. Kippt man diesen ein klein wenig nach links, ein klein wenig nach rechts und lässt ihn jeweils los, dann wird man feststellen, dass der Stuhl – wenn auch mit ein wenig Schwanken – immer wieder zum Stehen kommt. Man könnte auch sagen, dass der Stuhl sein Gleichgewicht wiederfindet.
Kippt man den Stuhl jedoch über einen bestimmten Winkel hinaus, dann fällt er rasant zu Boden und findet eben nicht in sein vorheriges Gleichgewicht zurück. Er nimmt einen neuen Gleichgewichtszustand ein, er liegt auf dem Boden.
So kann man sich auch die Kipp-Punkte des Klimasystems vorstellen. Sind diese einmal erreicht, dann setzt sich ein Prozess in Gang, der
1. sehr schnell geht,
2. nicht mehr aufzuhalten ist,
3. nicht mehr steuerbar ist und
4. auch nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.
Man spricht auch vom point of no return, dem Punkt ohne Möglichkeit zur Rückkehr.
Wir wollen uns exemplarisch einige dieser Kipp-Punkte oder auch Kipp-Elemente des Klimasystems ansehen. Als erstes Beispiel ist das Abtauen der Gletscher sowie der Eismassen am Nordpol und auf Grönland zu nennen. Tauen diese ab, haben wir neben den schon angesprochenen Problemen durch den ansteigenden Meeresspiegel auch noch ein weiteres Problem. Bisher hat die große weiße Schnee- und Eisfläche eintreffende Sonnenstrahlen reflektiert. Fehlt die Reflexionsfläche, kommt es zu einer zunehmenden Erderwärmung, die verbleibenden Eismassen tauen schneller ab und der Treibhauseffekt verstärkt sich weiter……
Als weiteres Kipp-Element wollen wir das Abtauen der Permafrostböden aufführen. Dabei handelt es sich um Regionen auf der Erde, in denen der Boden das ganze Jahr über gefroren ist, da die dortigen Durchschnittstemperaturen unter 0°C sind. Es kommt also nie zu einem nennenswerten Auftauen des Bodens. Diese Böden befinden sich in den Polargebieten wie den arktischen und antarktischen Tundren oder aber auch in den Hochgebieten. Alles in allem handelt es sich um große Gebiete von Alaska, Grönland, Nordkanada und Ostsibiriens sowie unter anderem in den Hochalpen. 24% der nördlichen Halbkugel sind durch Permafrostböden charakterisiert. Laut des Berichts des Weltklimarates (IPCC, Intergovernmental panel on climate change) sind die Temperaturen in der Arktis bereits lokal um ca. 3°C angestiegen. Tauen die Permafrostböden auf, entstehen beim Zersetzungsprozess fossiler Pflanzen- und Tierreste die Treibhausgase CO2 und Methan. Insbesondere das Methan bereitet große Sorge, da der Treibhauseffekt von Methan rund 30mal so effektiv ist wie der von CO2. Aufgrund der bereits eingesetzten globalen Erwärmung kommt es irgendwann zu einem Punkt, an dem es zum massiven Auftauen der Permafrostböden und somit zur Freisetzung großer Mengen Treibhausgase kommt, die ihrerseits die Erderwärmung weiter anheizen – der Klimawandel wird also massiv verstärkt. Ein weiterer negativer Aspekt des Abtauens der Permafrostböden ist das Absacken des Bodens, womit die darauf befindlichen Straßen und Häuser einbrechen und die Lebensgrundlage der Einwohner verschlechtert wird.
Diese beiden besprochenen Kipp-Punkte werden bei einer Erderwärmung zwischen 1,5 und 2°C erwartet.
Zuletzt wollen wir noch die Austrocknung des Amazonas-Regenwaldes betrachten. Dieser tropische Regenwald ist etwa doppelt so groß wie die gesamte EU und wird auch die grüne Lunge der Erde genannt. Der Regenwald ist nicht nur durch seine riesige Artenvielfalt charakterisiert, er nimmt auch große Menge an CO2 auf und gibt im Gegenzug Sauerstoff ab. Neben der voranschreitenden Rodung der Wälder ist auch die zunehmende Erderwärmung ein Problem für den Bestand dieser Wälder. Durch die hohen Temperaturen kommt es zunehmend zu Dürreperioden und somit zu einer regelrechten Austrocknung großer Teile des Regenwaldes. CO2 kann der Atmosphäre dementsprechend nicht mehr entzogen werden. Wissenschaftler prognostizieren eine Austrocknung von 40% des Amazonas bei einer Erderwärmung zwischen 2 und 3 °C.
Weitere Kipp-Elemente werden in der unten aufgeführten Literatur besprochen.
In einem kommenden Beitrag wollen wir uns mit der Frage beschäftigen, wann wir die von vielen Wissenschaftlern als kritisch angesehene Temperaturmarke von 1,5°C erreichen und wie viel Zeit uns noch bleibt, den Temperaturanstieg auf diese Marke zu begrenzen.
Weiterführende Literatur:
Umweltbundesamt: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/publikation/long/3283.pdf
Deutsche IPCC-Koordinierungsstelle: https://www.de-ipcc.de