Das 1,5°C Ziel – haben wir überhaupt noch eine Chance?

In früheren Berichten haben wir bereits über die Folgen des Klimawandels und die Problematik der Kipp-Punkte im Klimasystems gesprochen. Werden die Kipp-Punkte erreicht, kommt es zur massiven Beschleunigung des Klimawandels mit dramatisch Folgen. Da verschiedene Kipp-Punkte laut wissenschaftlicher Prognosen bei einer Erderwärmung zwischen 1,5 und 2°C erreicht werden, hat sich die Staatengemeinschaft auf der Pariser Klimakonferenz 2015 darauf geeinigt, den Anstieg der mittleren Temperatur auf der Erdoberfläche auf deutlich unter 2°C – möglichst auf 1,5°C – zu begrenzen. Heute wollen wir uns mit der Frage beschäftigen, ob und wie die Erderwärmung auf 1,5°C begrenzt werden kann

Mit dieser Frage beschäftigt sich auch seit vielen Jahren der Weltklimarat (IPCC) und veröffentlicht regelmäßig Berichte zu dieser Thematik. Der letzte Bericht stammt aus dem Jahr 2018. Hier werden Szenarien geschildert, mit welcher Wahrscheinlichkeit und welchen Bemühungen das 1,5°C Ziel erreicht werden kann. Blickt man in die Vergangenheit zurück, so hat man beobachtet, dass die globale Erwärmung seit Ende des vorletzten Jahrhunderts bereits um ca. 1°C angestiegen ist. Wichtig hierbei: 0,75°C dieser Erwärmung gehen alleine auf den Zeitraum seit 1960 zurück (Abb. 1). Machen wir mit den CO2 Emissionen in dieser Weise so weiter, dann zeigt der Trend, dass wir etwa im Jahr 2040 die 1,5°C Marke erreichen werden. Aufgrund der Unsicherheit der Messungen und den Unwägbarkeiten der Zukunft, kann dies aber auch schon 2030 erfolgen. 

Abbildung 1: Gezeigt sind die tatsächlich gemessenen Temperaturen auf der Erdoberfläche, dargestellt in grau. Als Bezugspunkt (Nullpunkt) dient die Durchschnittstemperatur der Jahre in den Jahren 1850-1900. In orange dargestellt ist die Trendlinie und der Unsicherheitsbereich. Die 1,5°C Marke kann so in einem Zeitraum von 2030 bis 2050 erreicht werden, vermutlich um 2040. Darstellung basierend auf Daten des IPCC.

Basierend auf ihren Klimamodellen haben Wissenschaftler nun Szenarien für zwei CO2 Reduktionswege aufgestellt (Abb. 2). Das eine Szenario sieht vor, dass wir weltweit eine Null Emission bis zum Jahr 2055 erreichen (grau), das andere Szenario geht davon aus, dass wir bis 2040 dieses Ziel erreichen (rot). Genau genommen heißt es, dass wir bis zu diesem Ziel eine sogenannte Netto Nullreduktion erreichen. Dies besagt, dass auch die unvermeidlichen entstehenden Treibhausgase (z.B. das Methan der Kühe aus der Fleisch- oder Milchproduktion) an anderer Stelle wieder eingefangen werden (durch z.B. Pflanzen oder andere CO2 fixierende Technologien). 

Spielt man nun diese Szenarien durch, so stellt man fest, dass in beiden Fällen der Temperaturanstieg gebremst werden kann. Da die Klimaforscher verschiedene Klimamodelle berechnen, lässt sich für die Zukunft jeweils nur ein Temperaturbereich angeben, der wahrscheinlich erreicht werden wird. Dabei stellt man fest, dass beim Erreichen des Ziels einer Netto Null Emission von CO2 bis 2055 das 1,5°C Ziel mit einer großen Wahrscheinlichkeit erreicht wird (Abb. 3, grauer Bereich), eine gewisse Unsicherheit bleibt aber. Hier ist zu beachten, dass ca. ein Drittel des grauen Bereichs ÜBER der 1,5°C Marke liegen, sprich, mit einer ca. 30%igen Wahrscheinlichkeit wird die 1,5°C Grenze überschritten. Oder in anderen Worten: mit einer ca. 70%igen Wahrscheinlichkeit erreichen wir das 1,5°C Ziel auf diese Weise, möglicherweise aber eben auch nicht.

Bei einer Netto Null Emission von CO2 bis zum Jahr 2040 wird das 1,5°C Ziel mit einer sehr viel größeren Wahrscheinlichkeit erreicht (Abb. 3, roter Bereich).

Abbildung 3: Wahrscheinlicher Temperaturverlauf bei Reduktion der CO2 Emissionen auf Null bis 2055 (grauer Bereich) oder bis 2040 (roter Bereich). Angegeben können nur Temperaturbereiche, in denen sich der Temperaturanstieg bewegen wird. Darstellung basierend auf Daten des IPCC.

Die Bundesregierung verfolgt mit ihrem Plan eine Reduktion der Treibhausgase auf nahe Null bis 2050, so dass die Netto Null Emission vielleicht bis 2055 erreicht wird. Andere fordern hingegen eine schnellere Reduktion, z.B. bis 2040 oder gar 2035. In diesen Diskussionen spiegeln sich letztlich die beiden vom Weltklimarat betrachteten Szenarien wieder und die Abbildung 2 fasst die aktuellen Diskussionen gut zusammen. So oder so: Schnelles Handeln ist wichtig, denn in beiden Fällen ist eine drastische Kehrtwende nötig, wie wir in einem unserer nächsten Beiträge schreiben werden.