Wenn wir die Apfelblüten dereinst selbst bestäuben müssen …

…und die Vögel verschwunden sind, werden wir feststellen, warum Insekten auch für uns Menschen so wichtig sind. Aktuell beobachten wir einen Rückgang der Insekten auf breiter Front. Tatsächlich gibt es schon heute Regionen auf dieser Erde, beispielsweise in China, in denen Obstbäume durch Menschenhand bestäubt werden müssen, weil die Insekten dazu nicht mehr da sind. Grund genug, dass wir uns nochmal mit der Thematik rund um das Insektensterben beschäftigen…..

Die Gruppe der Insekten bildet die artenreichste Klasse der Tiere auf unserem Planeten. Sehr wahrscheinlich sind uns viele Insekten, z.B. im tropischen Regenwald, noch nicht einmal bekannt. Verschiedene wissenschaftliche Studien legen nunmehr nahe, dass derzeit nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern, ein massiver Rückgang der Insekten zu beobachten ist. Damit ist nicht nur ein Verlust von Insektenarten gemeint, sondern auch ein massiver Rückgang in der Anzahl der Insekten – die Wissenschaft spricht hier auch von einem Rückgang der Biomasse. Wir haben darüber schon mal in einem älteren Beitrag berichtet. Wie stark ist nun der Rückgang der Insekten in Deutschland? Hier wird in der Diskussion häufig auf diese Studie verwiesen, die darlegt, dass über die letzten knapp 30 Jahre ein Rückgang von 75% der Biomasse fliegender Insekten zu verzeichnen ist – wohlgemerkt in Schutzgebieten.

Wir wollen uns heute auf eine erst in diesem Jahr publizierte Studie von Wissenschaftler/innen der TU München fokussieren. Hier wurden zwischen 2008 bis 2017 verschiedene Habitate in verschiedenen Bundesländern (Baden-Württemberg, Thüringen und Brandenburg) untersucht. An insgesamt ca. 290 Stellen wurden nach regelmäßig und nach einem standardisierten Verfahren Insekten gesammelt, bestimmt und gezählt. Untersucht wurden dabei verschiedene Flächen wie Wiesen, Weiden, forstwirtschaftlich genutzte Nadelwälder sowie Wälder in Schutzgebieten. Ein weiterer wichtiger Punkt: Die Nutzung der Fläche war sowohl vor dem Start, als auch während der Untersuchung identisch und es wurden dort keine Schädlingsbekämpfungsmittel wie Pestizide ausgebracht. 

Die Datenanalyse ergab in allen untersuchten Habitaten einen massiven Rückgang in der Biomasse, der Anzahl der verschiedenen Arten und der Anzahl der Tiere. Besonders stark war der Biomassereduktion auf Wiesen mit 67%. Auch in Wäldern wurde ein Verlust der Insektenbiomasse von 41% innerhalb von 10 Jahren verzeichnet.

Was sind die Ursachen für dieses massive Insektensterben? Hier werden in der Literatur verschiedene Gründe und Mechanismen diskutiert, die jeweils unabhängig, aber insbesondere in ihrer Kombination einen negativen Einfluss auf die Insektenpopulation haben. An erster Stelle ist hier die Landwirtschaft zu nennen. Durch Flurbereinigung und immer größere Felder, die großflächig als Monokultur angelegt sind, kommt es zur Vernichtung von ökologischen Nischen. Hecken zwischen oder Randstreifen an den Feldern nahmen und nehmen kontinuierlich ab, wodurch den Insekten ihre Lebensgrundlage genommen wird. Das Mähen von Wiesen oder auch das Bearbeiten der Äcker hat ebenso einen Einfluss.

Darüber hinaus kommt es durch den Einsatz von Agrarchemikalien wie Pestiziden zu weiteren Verlusten. Die bereits zitierte Studie von der TU München bringt hier weiter Licht ins Dunkel. 

Schaut man sich diese Studie nämlich im Detail an, finden sich interessante Unterschiede zwischen den untersuchten Habitaten. In unmittelbarer Nähe zu landwirtschaftlich genutzten Flächen waren insbesondere jene Insektenarten betroffen, die keine größeren Strecken überwinden können und damit den landwirtschaftlichen Einflüssen schutzlos ausgeliefert sind. Umgekehrt waren in Wäldern jene Arten betroffen, die große Strecken überwinden können und somit in Kontakt zu landwirtschaftlich genutzten Flächen sein können. So deckt diese Studie eine besondere Rolle der intensiven Landwirtschaft in diesem Zusammenhang auf. Die Autoren der Studie weisen in einer Pressemitteilung darauf hin, dass Einzelmaßnahmen nicht ausreichen, um das Insektensterben zu stoppen, sondern Handlungen auf regionaler und nationaler Ebene abgestimmt werden müssen.

Was müssen wir als Gesellschaft nun tun, was können wir als Einzelpersonen tun? Dringend notwendig ist ein Richtungswechsel in der Agrarpolitik, die darauf abzielt, den Einsatz von Pestiziden zu reduzieren. Den Landwirten muss die Möglichkeit eröffnet werden, Landschafts- und Artenpflege zu betreiben ohne auf Einkommen zu verzichten. Daher müssten staatliche Subventionen für die Landwirtschaft an entsprechende Bedingungen gekoppelt werden. Das Einrichten von Blühstreifen sollte zum Standard werden, Eingriffe in die ökologischen Nischen müssen minimiert werden. So weist ein Landwirt in einem Interview in der FAZ vom 7.12.2019 darauf hin, dass er Blühstreifen nach der Blüte und Erreichen einer maximalen Standzeit zu vernichten habe, um ein Mindestmaß landwirtschaftlicher Tätigkeit nachzuweisen und so für EU Subventionen weiter förderfähig zu bleiben. Dadurch jedoch zerstört er das Habitat der Insekten immer wieder, die im Boden lebenden Insekten werden abgetötet und am Ende hat der ehemalige Blühstreifen keinerlei ökologischen Wert.

Aber auch wir als Individuen haben große Einflussmöglichkeiten. Der Kauf zertifizierter und regionaler Bioware stärkt jene landwirtschaftlichen Betriebe, die sich eine umweltschonende Bewirtschaftung zum Ziel gesetzt haben. Für jeden Einzelnen von uns mag das nur ein kleiner Beitrag zur Lösung der Gesamtproblematik darstellen, aber in der Summe können wir auf diese Weise mitwirken, wie Lebensmittel produziert werden. Durch den Kauf regionaler und saisonaler Produkte leisten wir aufgrund kurzer Transportwege und kurze Lagerungszeiten auch einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. Damit viele Landwirte ihre Betriebe umstellen können, muss die Nachfrage von uns Konsumenten weiter steigen…

Weitere Literatur zum Thema Insektensterben:

Andreas H. Segerer, Eva Rosenkranz: Das große Insektensterben. Was es bedeutet und was wir jetzt tun müssen, Oekom Verlag