Vor einer Weile haben wir uns schon mal mit der Frage beschäftigt, warum wir eigentlich zu wenig für den Klimaschutz tun, obgleich sich viele von uns der Umweltproblematik durchaus bewusst sind. Damals haben wir uns die kognitiven Dissonanzen angesehen. Vielleicht finden wir weitere Antworten in dem Modell der sogenannten „sozialen Milieus“. Hilft uns die Kenntnis darüber, unser Verhalten als auch das unserer Mitmenschen besser zu verstehen? Daher stellen wir Euch heute und in den kommenden Blogbeiträgen Prototypen verschiedener sozialer Milieus vor…
Soziale Milieus werden durch eine Gruppe von Menschen gebildet, die sich in einer Reihe von Eigenschaften ähneln. Dazu gehören beispielsweise ähnliche Wertvorstellungen und Lebenseinstellungen, aber auch Verhaltensweisen oder ästhetische Ansprüche. Mit der Definition von und der Einteilung in die sozialen Milieus beschäftigt sich die Soziologie. In welchem Milieu sich jemand befindet, hat viel mit dem Elternhaus und der Erziehung, aber auch mit dem aktuellen privaten wie beruflichen Umfeld zu tun. In der Literatur findet man verschiedene Einteilungen, häufig verwendet werden jene von Socio Dimension und Sinus Socovision. Wir haben uns an den Eingruppierungen von Socio Dimension orientiert, die auch das Umweltbundesamt in seiner Studie zum Umweltbewusstsein in Deutschland 2018 nutzt. Das Kompetenznetz Nachhaltigkeitskommunikation orientiert sich hingegen an der Sinus Einteilung. Beide Einteilungen zeigen trotz Unterschieden im Detail große Übereinstimmungen auf.
Starten wir mit dem sogenannten etablierten Milieu. Wie bei allen Milieus finden wir hier Frauen und Männer, allerdings gehören diesem tendenziell mehr Männer an. Sie sind zwischen 40 und 60 Jahre alt und zumeist verheiratet. Bildung und Einkommen sind auf einem mittlerem bis hohem Niveau einzustufen. Beruflich sind sie beispielsweise leitende Angestellte, gehobene Beamte, Unternehmer, Selbstständige oder Freiberufler. Personen dieses Milieus haben gern das Gefühl, der „Elite der Gesellschaft“ anzugehören. Sie sind leistungs- und erfolgsorientiert, denen ein hoher Lebensstandard, aber auch ein harmonisches Familienleben wichtig sind. Sie verfolgen eine ausgeprägte Erfolgsethik und ein Machbarkeitsdenken. Ihre Hauptthemen sind Wirtschaftswachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Effizienz. Sie bewohnen eher große Wohnflächen, die zumeist energetisch und technisch modern ausgestattet sind. Sie fahren in der Familie ein bis mehrere Autos, teilweise stark motorisiert, und legen damit auch überdurchschnittlich viele Kilometer jährlich zurück. Dementsprechend überrascht es nicht, wenn die Etablierten das Auto als ein Statussymbol ansehen. Das Rad nutzen sie eher als sportliches Freizeitgerät denn für die alltäglichen Strecken. Der öffentliche Nahverkehr wird selten genutzt. Das allgemeine Konsumniveau ist relativ hoch. Im Bereich Ernährung und Landwirtschaft ist ihnen Effizienz wichtig. Umweltbelastungen stufen sie hier als weniger gravierend ein. Trotzdem verfügt das etablierte Milieu über ein relativ hohes Umweltbewusstsein; es besteht jedoch eine große Diskrepanz zwischen Bewusstsein und eigenem Handeln. Wenn es zum Thema Klimaschutz kommt, sind vermutlich eher die Möglichkeiten neuer technischer Entwicklungen als ein Verzicht auf Luxus und Wohlstand relevant. Ihr Lebensmotto kann man wie folgt zusammenfassen: „Auf das Erreichte stolz sein und dieses auch genießen.“ (Beschreibende Zitate jeweils nach Socio Dimensions).
Schauen wir dazu vergleichend auf den bürgerlichen Mainstream. Hier sind Frauen und Männer gleichermaßen vertreten. Das Alter liegt überwiegend zwischen 30 und 60 Jahren. Meist haben sie eine Familie und ihr Privat- und Familienleben ist ihnen sehr wichtig. Bildungsniveau und Einkommen sind im Mittelfeld angesiedelt. Beruflich sind sie beispielsweise als mittlere Angestellte, Beamte, FacharbeiterInnen, aber auch als Hausfrauen tätig. Ihnen wichtige Themen sind der berufliche Erfolg, das Haus, das Auto, die Rentensicherheit, aber auch Migration sowie Umwelt- und Klimaschutz. Sie pflegen Freundschaften und engagieren sich häufig in Vereinen, Kindergärten oder Schulen. Aspekte der Nachhaltigkeit werden unterstützt, v.a., wenn sie preislich vorteilhaft sind. In der Familie besitzen sie ein bis mehrere Pkw, mit denen sie relativ viele Kilometer zurücklegen. Im Bereich der Ernährung und Landwirtschaft sind ihnen die Umweltbelastungen durchaus bewusst und das Tierwohl liegt ihnen am Herzen. Kommt es dann allerdings zur Auswahl der Lebensmittel und zur Kaufentscheidung, gewinnt oft der günstigere Preis. Die Energiewende ist dem bürgerlichen Mainstream wichtig. Gleichzeitig wird überwiegend die Meinung vertreten, dass diese sozial gerecht und bezahlbar sein muss. Ihr Lebensmotto kann zusammenfassen werden als: „Dazugehören, integriert sein und nicht auffallen.“
Abschließend wollen wir heute noch das kritisch kreative Milieu betrachten. In diesem Milieu finden sich mehr Frauen als Männer. Das Alter liegt meist zwischen 30 und 70 Jahren. Bildung und Einkommen sind mittel bis hoch. Von der Grundeinstellung sind sie aufgeklärt, weltoffen und tolerant. Ihre Hauptthemen sind Umwelt- und Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit sowie Rechtspopulismus. Hinsichtlich Nutzung und Besitz von Autos ist diese Gruppe sehr heterogen. Sie fahren keine bis mehrere Autos, haben in der Summe aber eher wenig Kilometer auf dem Tacho, da sie oft mit Rad und ÖPNV unterwegs sind. Bei der Ernährung und der Landwirtschaft ist ihnen die Umweltbelastung durchaus bewusst. Auch das Tierwohl ist wichtig. Dies findet auch bei der Kaufentscheidung Eingang. Die Energiewende erachten sie als wichtig und beteiligen sich entsprechend daran – sei es durch den Kauf von Ökostrom, sei es durch die eigene PV-Anlage. Grundsätzlich fordert dieses Milieu deutlich mehr politisches Handeln in Sachen Klima- und Umweltschutz. Ihr Lebensmotto: „Kritisch hinterfragen sowie verantwortungsbewusst leben.“
Und? Habt Ihr Euch, Eure Freunde oder Nachbarn schon irgendwo wiedergefunden? Oder fühlt Ihr Euch irgendwo in der Mitte? Im kommenden Blogbeitrag wollen wir Euch weitere soziale Milieus vorstellen…
Mehr zu lesen unter:
Studie zum „Umweltbewusstsein in Deutschland 2018“ (Umweltbundesamt)
Kompetenznetz Nachhaltigkeitskommunikation: Nachhaltigkeit kommunizieren: Zielgruppen, Zugänge, Methoden (2008)