Wenn wir über Strategien diskutieren, wie der Klimawandel aufzuhalten ist, begegnen wir immer wieder ähnlichen Argumentationen. Da hören wir: Der Einzelne möge verzichten, neue Techniken und Technologieoffenheit werden das Problem schon lösen oder erstmal müssen die Chinesen ran, bevor wir hier etwas machen müssen und wir in Deutschland sind doch eh zu unbedeutend. Die Liste der Argumente lässt sich lang fortführen. Trotz der Vielfalt der Argumente können wir verschiedene wiederkehrende Argumentationsmuster erkennen, die wir heute hier vorstellen wollen….
Die hier vorgestellte Einteilung geht zurück auf Uwe Schneidewind, den langjährigen Direktor des Wuppertal Instituts. In seinem Buch „Die große Transformation – Die Kunst des gesellschaftlichen Wandels“ (2018) stellt er drei Argumentationslinien vor, die er erstmal 2016 zusammen mit Karoline Augenstein in ihrer Arbeit Three Schools of Transformation thinking präsentierte.
Viele sehen die Entwicklung neuer Technologien als wichtigsten Baustein im Kampf gegen den Klimawandel an. Uwe Schneidewind bezeichnet diese Gruppe als Inventionisten. Technologische Entwicklungen, auf englisch invention, tragen zur Effizienzsteigerung bei und helfen so, die uns zur Verfügung stehende Energie bestmöglich zu nutzen. Effizienz ist hier also das Schlagwort. Typische Argumentationsmuster betreffen die Debatte zur sogenannten Technologieoffenheit, die Vermeidung vermeintlicher technologischer Festlegungen und die Kraft des freien Marktes. Getragen wird dieses Konzept von der Idee des Wirtschaftswachstums und einer Marktwirtschaft, die jetzt einer ergänzenden ökologischen Komponente bedarf. Von sozial-ökologischer Marktwirtschaft ist die Rede. Andere sprechen von einem Green New Deal. Arbeitsplätze und Wohlstand werden hier versprochen. Ohne jeden Zweifel leisten technische Entwicklungen zur Erreichung des Klimaziels einen wichtigen Beitrag. Tatsächlich hat aber die Erfahrung gezeigt, dass die Einsparungen durch Energieeffizienz oft durch Rebound Effekte zunichte gemacht wurden. Zwar sind die Motoren unserer Autos immer effizienter, zugleich sind die Autos aber auch größer und schwerer geworden. Den Effizienzgewinn haben wir also in Wohlstand und Bequemlichkeit investiert, also beispielsweise elektrische Fensterheber, Sitzheizungen, Klimaanlagen, Scheinwerfer-Waschanlagen usw… Und weil das Autofahren günstiger geworden ist, fahren wir eben noch mehr Kilometer. Technologischer Fortschritt hat also auch immer zu neuen Begehrlichkeiten geführt. So sind gewisse Zweifel, ob durch neue Technologien alleine das Ziel der Energiewende erreicht werden kann, also mehr als angebracht.
Den Inventionisten vermeintlich diametral entgegen stehen die von Schneidewind und Augenstein als Idealisten bezeichnete Gruppe. Diese argumentieren mit der Idee einer globalen und Generationen-übergreifenden Gerechtigkeitsvorstellung, wie erstmals 1979 von Hans Jonas in seinem Buch „Das Prinzip Verantwortung“ als Verantwortungsethik dargestellt. Abgeleitet von Kants kategorischen Imperativ: „Handle so, dass du auch wollen kannst, dass deine Maxime allgemeines Gesetz werden kann“ und angewandt auf die heutigen ökologischen Herausforderungen formulierte Jonas: „Handle so, dass die Wirkungen deiner Handlungen verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden.“ Aus diesen Überlegungen abgeleitet wird daraus der moralische Anspruch – an sich selbst aber auch an andere -, mit Energie und Ressourcen sorgsam umzugehen und beides nicht zu verschwenden. Suffizienz, sprich Genügsamkeit, steht im Zentrum der Bemühungen. Zuweilen geht dies so weit, andere Formen des Wirtschaftens zu fordern, die auf die Wachstumsorientierung verzichten. Die Postwachstumsökonomie steht hier beispielhaft. Auch an dieser Strategie können Zweifel angebracht sein. Ein Verzicht ist leicht aus der Situation der Wohlstandssättigung und des Hyperkonsums zu fordern. Allerdings wird dies viele Menschen in anderen Ländern der Erde, die eher an einem wachsenden Wohlstand interessiert sind, kaum interessieren. Trotzdem liegt ein wichtiges Argument auf der Hand: Je sorgsamer wir mit Ressourcen und Energie umgehen, um so leichter wird die Energiewende fallen.
Als dritte Gruppe sehen Schneidewind und Augenstein die Institutionalisten. Sie sehen die Lösung der Klimakrise im staatlichen – insbesondere zwischenstaatlichen – Handeln. Sie sind der Meinung, dass der Einfluss des Einzelnen zu klein ist und nur staatliche Vorgaben (Steuern, Verbote, Anreize etc.) einen entsprechend großen Hebel haben. Nur so könne erreicht werden, dass möglichst viele ihr Verhalten ändern. Auch sehen Institutionalisten den Staat in der Verantwortung, in Form von zwischenstaatlichen Vereinbarungen viele Länder zum Mitmachen zu bewegen.
Das Besondere an diesen drei Gruppen ist, dass sie häufig die gegenseitige Position ablehnen oder gar verteufeln. So werfen Idealisten den Inventionisten den Rebound Effekt vor und sehen in jeder technologischen Entwicklung ein Einfallstor für einen weiteren Ressourcenverbrauch. Umgekehrt argumentieren die Inventionisten, dass ein Verzicht, wie von den Idealisten eingefordert, zu sinkendem Wohlstand oder gar Armut führt. Dass diese Diskussionen nicht sehr zielführend sind, liegt auf der Hand und dass die Wahrheit wie so oft im Leben in der Mitte liegt, wird häufig ausgeblendet. Die Energiewende gelingt dann am besten, wenn wir uns nicht nur auf neue Technologien und die Steigerung der Energieeffizienz beschränken. Je sparsamer wir mit der Energie umgehen, je bewusster wir uns die Folgen des eigenen Handelns machen, umso einfacher gelingt es uns, nicht nur unser Stromsystem, sondern auch unser gesamtes Energiesystem klimaneutral zu gestalten. Und, wenn wir klare staatliche Vorgaben in bestimmten Bereichen haben, wird uns das gemeinschaftlichen Handeln leichter fallen.
Ganz offensichtlich brauchen wir alle drei Lösungsstrategien. Dies beinhaltet sicher das Ablegen möglicherweise vorhandener ideologischer Scheuklappen bei allen Beteiligten.
Referenzen
Dieser Blogbeitrag beruht auf einem Vortrag auf dem 2. Innovationskongress an der Technischen Hochschule Ulm und ist eine überarbeitete Version eines Auszugs des dazu publizierten Beitrags. Hier findet sich der ganze Beitrag.
Hans Jonas (1979) Das Prinzip Verantwortung, Insel Verlag. Neuauflage 2020, Suhrkamp
Schneidewind (2018) Die große Transformation – Die Kunst des gesellschaftlichen Wandels“, Fischer Taschenbuch
Schneidewind und Augenstein (2016) Three Schools of Transformation thinking, GAIA 25, 88-93