Kann die Fähre das Flugzeug ersetzen? Teil 2: Wie war die Rückfahrt?

Im letzten Bericht hatten wir von dem Versuch berichtet, eine Reise nach Finnland statt mit dem Flugzeug mit der Fähre zu absolvieren. Wie verlief nun die Rückreise? Welches Fazit kann gezogen werden? Seid gespannt…

Auch die Rückfahrt von Helsinki nach Blaustein habe ich mit Fähre, Zug und Bus bestritten. Die Fahrt mit dem Schiff verlief über weiter Strecken ähnlich ruhig wie auf der Hinfahrt. Nur für wenige Stunden ging ein heftiger Wind, so dass der Wellengang deutlich stärker und dadurch die erste Hälfte der Nacht diesmal deutlich ungemütlicher war. So im Dunkeln und im Liegen machte ich mir schon meine Gedanken, ob ich da auf Dauer nicht seekrank werden würde… war glücklicherweise nicht so und die Ankunft erfolgte pünktlich und ohne Zwischenfälle in Travemünde. Zweiter Wehrmutstropfen: Die zweite „Übernachtung“ erfolgte in der Deutschen Bahn – die ja bekanntlich Schlaf- und Liegewagen abgeschafft hat. So musste ich die Nacht sitzend im ICE verbringen. Zugegeben, gemütlich geht anders – und ob ich eine solche Art der Reise über Nacht im Zug jemand anders wirklich empfehlen kann, da bin ich mir noch nicht so sicher… 

Links: Blick in die Kabine mit eigenem Bett. Rechts: Bei der Arbeit auf dem Schiff, Blick aus dem Café auf die Ostsee. 

Tatsächlich hat mir diese Reise auch wieder vor Augen geführt, wie unsere Lebensweise zum Klimawandel beiträgt. Wir alle kennen es: Alles muss immer schneller und effizienter erfolgen, ein Reiseziel muss so schnell wie möglich erreicht werden, um ja „keine Zeit zu verlieren“. Bei innerdeutschen Reisen äußert sich dies darin, dass wir mal schnell morgens nach Berlin und abends wieder zurückfliegen, während die Alternative mit der Deutschen Bahn möglicherweise eine Übernachtung erfordern würde (Details hier). Und gleiches gilt für auch Reiseziele innerhalb Europas, die auch alle mit deutlich Klima-schonenderen Verkehrsmitteln als dem Flieger erreichbar wären, meist mit dem Zug. Wir müssen es nur wollen und auch entsprechend etwas Zeit investieren. Ich persönlich habe für die Hinreise mein gesamtes Wochenende geopfert – natürlich in Absprache mit der Familie, die das Abenteuer mit Spannung verfolgt hat. Und ich muss feststellen: die gemachte Erfahrung war es wert.

Einschränkend muss man erwähnen, dass bei Dienstreisen nicht jeder Arbeitgeber mit dieser Form des Reisens einverstanden ist. Aber ist es nicht lohnenswert, dies einfach mal anzusprechen? Muss ja nicht gleich Finnland sein, aber viele Strecken lassen sich ohne Flugzeug absolvieren. Inzwischen überlegen sehr viele Menschen, welchen Beitrag sie am Klimaschutz leisten können und sind sehr zugänglich für neue Ideen. Als ich diese Idee im letzten Jahr bei meinem Gastgeber in Finnland ansprach, da die Reisekosten von dieser Seite zu tragen waren, war dieser im ersten Moment natürlich sehr verblüfft, weil die Idee doch sehr ungewöhnlich ist. Nachdem sich dann aber bei der Reisplanung herausgestellt hat, dass sich die Kosten der Reise im normalen erstattungsfähigen Rahmen hielten, sprach nichts mehr dagegen. Und, ein dort in Finnland ebenfalls anwesender Kollege überlegt, im nächsten Jahr vielleicht auch mit der Fähre anzureisen. Und noch etwas Wichtiges in diesem Zusammenhang: Während der Reise habe ich an einem eigenen Tisch mit Blick auf die Ostsee hervorragend arbeiten können, was ja vielleicht auch in anderen Berufsfeldern möglich ist.

Und ja, bei Urlaubsreisen müssen – je nach Reiseziel – zusätzliche Tage des Urlaubs alleine für die An- und Abfahrt aufgewendet werden. Aber mal ehrlich: ist es nicht auch ein wenig abenteuerlich, mit dem Gepäck in der Hand auf der Fähre zu vereisen? Vielleicht noch das Rad mit dabei? Manche sagen ja auch nicht ohne Grund, der Weg sei das Ziel.

Bei dieser Gelegenheit wird mir wieder einmal bewusst, dass unsere Lebensweise auf einer enormen Kompression von Zeit beruht. Der Wissenschaftler Nico Paech hat diese Gedanken in einem seiner Bücher umfangreicher ausgeführt. In einem vergleichsweise kurzen Zeitraum verbrennen wir fossile Brennstoffe, die in Jahrmillionen Jahren unter der Erde entstanden sind, und holen so die Vergangenheit in die Gegenwart. In diesem Beispiel, um möglichst schnell von A nach B zu kommen. Damit verdichten wir auch den Raum bzw. heben dadurch räumliche Grenzen auf – eine Grundlage für die globalen Wirtschaftskreisläufe und die Internationalisierung auf allen Ebenen, sei es in der Wirtschaft, der Wissenschaft, im Sport oder im Tourismus. Und in der Wirtschaft (und manchmal auch privat) holen wir übrigens auch die Zukunft in die Gegenwart. Denn das Leihen von Geld zum Durchführen einer wirtschaftlichen Handlung ist eigentlich nichts anderes, als das Verlagern zukünftiger (erwarteter) Gewinne oder Einnahmen in die Gegenwart.

Fazit: In diesem Sinne hat mir diese Reise gezeigt, dass die Entschleunigung unseres Lebens und das Rückbesinnen auf ein lokaleres/regionaleres statt eines globalen Lebens zum Klimaschutz beitragen kann. Die Wahl des Reisemittels werde ich auch zukünftig bei Dienstreisen sorgfältig wählen. Auch als Privatperson finde ich das Reisen mit der Fähre spannend und denke, dass wir eine ähnliche Reise zukünftig auch als Familie erproben werden…

Literaturhinweis:

Niko Paech, Befreiung vom Überfluss: Auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie, oekom, 2012