Da Präsenz-Vorträge und persönliche Treffen aufgrund der Corona Pandemie aktuell nur sehr eingeschränkt bis gar nicht möglich sind, haben auch wir wie viele andere unsere Vorträge in den virtuellen Raum verlegt. Bei einem dieser Vorträge kam die Frage auf, wie klimaschädlich eigentlich solche virtuellen Treffen sind. Dieser Frage wollen wir heute nachgehen…
Zur Beantwortung dieser Frage müssen wir zwei Rechnungen gegenüberstellen. Auf der einen Seite die Berechnung des CO2-Ausstoßes, der bei einem Präsenz-Vortrag oder persönlichen Treffen anfällt. Dazu zählen die Emissionen, die bei der An- und Abreise anfallen sowie bei längeren Treffen auch jene, die bei einer Übernachtung im Hotel zu Buche schlagen. Auch müssten die Treibhausgasemissionen für die Bereitstellung und das Betreiben des Vortragsraumes einbezogen werden. Bei kleineren Veranstaltungen, die vielleicht nur 2-3 Stunden dauern, sind letztere zu vernachlässigen und werden deswegen hier nicht weiter berücksichtigt. Bei sehr großen Veranstaltungen wären auch sowohl die Übernachtungs- als auch die Infrastrukturaspekte relevant. Über den CO2-Ausstoß, der in Abhängigkeit von Strecke und Transportmittel auf Dienstreisen anfällt, haben wir hier bereits berichtet.
Auf der anderen Seite stehen die CO2-Emissionen, die durch eine Videokonferenz anfallen. Alle Treibhausgasemissionen fallen hier durch den Stromverbrauch an. Dazu gehört das Betreiben eines Laptops oder stationären PCs mit einem Monitor für jede*n Teilnehmer*in, die Bereitstellung und der Betrieb des WLAN-Systems am Arbeitsplatz oder zu Hause, sowie der Strom für den Betrieb des Rechenzentrums und des Festnetzes zur Datenübertragung. Darüber hinaus fällt Strom für die Datenübertragung an. Wie hoch ist also die durchschnittliche Leistungsaufnahme von Computer, Monitor und WLAN-System? Wie hoch ist das Datenvolumen einer Videokonferenz? Wie viel Energie wird benötigt, um dieses Datenvolumen zu transportieren? Wie viel Energie benötigt ein Rechenzentrum? Und: Wie viel CO2fällt dabei an?
Das Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit ist dieser Frage kürzlich in einer Studie nachgegangen, so dass wir die wesentlichen Erkenntnisse und Zahlen dieser Studie hier rekapitulieren wollen. Gleich zu Beginn ist anzumerken, dass in dieser Studie mit einem Emissionswert von 468 g CO2 pro Kilowattstunde Strom gerechnet wurde, der sich für den deutschen Strommix ergibt. Dies bedeutet, dass sich alle nachfolgenden Rechnungen besser darstellen, wenn zum Betreiben der elektronischen Geräte, der Rechenzentren oder der Infrastruktur regenerativer Strom benutzt würde.
Für die Untersuchung ist das Borderstep Institut von einem Datenvolumen von 660 MB pro Stunde Videokonferenz ausgegangen. Diese Zahl bezieht sich auf das Datenvolumen, welches jede*r Teilnehmende während dieser Konferenz empfängt und sendet (also Up -und Download). Dabei handelt es sich um einen Wert im mittleren Bereich vergleichender Untersuchungen. Auch für den Energiebedarf zum Versenden dieser Datenmenge im Festnetz (0,075 kWh/GB) und in den Rechenzentren (0,0321 kWh/GB) liegen Daten vor, die für die Betrachtung verwendet werden können.
Daraus kann man dann für eine Videokonferenz einen Wert für die CO2-Emission pro Teilnehmenden und pro Stunde berechnen. Je nach verwendetem Rechner, also PC mit Monitor oder ein Notebook, liegt dieser gerundete Werte bei 46-68 g CO2 pro Teilnehmenden und Stunde.
Mit diesen Werten lässt sich nun der CO2-Ausstoß berechnen, der eine Videokonferenz insgesamt verursacht und in Vergleich zu jenen Emissionen setzen, die anfallen, würde eine bestimmte Anzahl von Personen zu einem persönlichen Treffen anreisen. Wie das Borderstep Institut auch wollen wir hier einige Vergleiche anstellen. Dabei wollen wir uns auf unseren vorherigen Blogbeitrag beziehen, bei dem wir den Einfluss des Verkehrsmittels einer Dienstreise auf den CO2-Ausstoß berechnet haben. Nehmen wir ein Treffen über einen halben Tag, also 4 Stunden, in Berlin an. An dem Treffen sollen vier Personen teilnehmen, zwei die aus Berlin kommend und praktisch keine Emissionen bei der Anreise verursachend, und zwei Personen, die von unserer Heimatregion Ulm extra für dieses Treffen nach Berlin reisen. Wir haben damals schon festgestellt, dass bei der An- und Abreise nach Berlin mit dem Flugzeug für diese beiden Personen zusammen 570 kg CO2 anfallen, mit dem Auto etwa 240 kg und mit dem Zug 22 kg.
Wie sieht es nun mit der Videokonferenz aus? Eine Videokonferenz mit 4 Personen setzt während eines 4-stündigen Treffens unter Berücksichtigung der oben genannten Zahlen zwischen 0,74 und 1,09 kg CO2, also etwa 1 kg frei. Vergleichen wir dies mit den oben genannten Werten, ergibt sich das CO2-Einsparpotential einer Videokonferenz von 86% im Vergleich zu Bahn und mehr als 99% im Vergleich zu Auto oder Flugzeug.
Anders sähe die Berechnung aus, wenn die Videokonferenz lokal stattfindet und alle 4 Teilnehmenden für die Anreise zum Treffen keine Treibhausgase ausstoßen, weil sie beispielsweise mit dem Fahrrad oder zu Fuß zum Veranstaltungsort gelangen. In diesem Fall würde zwar immer noch etwa 1 kg CO2 für die 4-stündige Videokonferenz mit 4 Personen anfallen, nicht jedoch bei einem Treffen in Präsenz. Daraus lässt sich ableiten, dass die Videokonferenz gegenüber einem Präsenz-Treffen umso besser abschneidet, je mehr Teilnehmende eine weite Anreise haben.
Und vielleicht fragt sich ja auch jemand von Euch, ob die unterschiedlichen Videokonferenz-Programme unterschiedlich viel Energie schlucken. Eine neue Studie hat dies mal genauer untersucht – mit interessanten Ergebnissen.
In diesem Zusammenhang sollten allerdings immer auch die sozialen Aspekte eines persönlichen Treffens mit abgewogen werden. Der persönliche Austausch mit Personen in einem direkten Kontakt ist für uns Menschen als soziale Wesen wertvoll und unersetzbar. Der gleiche Zusammenhang gilt übrigens auch für das Home Office. Die Tätigkeit zu Hause vermeidet die CO2-Emissionen für das Pendeln zur Arbeitsstätte. Interessant in diesem Zusammenhang ist übrigens auch eine weitere Studie des Borderstep Instituts, die sich mit dem CO2-Einsparpotenzial des Home Office beschäftigt. Das werden wir in einem Folgebeitrag genauer beleuchten und dazu konkrete Zahlen vorstellen. Aber auch hier gilt es, die besondere Bedeutung der sozialen Kontakte am Arbeitsplatz hervorzuheben.
Fazit: Die genannten Studien zeigen das große Einsparpotenzial an Treibhausgasen, welches sich durch die richtige Nutzung virtueller Treffen ergeben. Vermutlich wird ein geändertes Verhalten dazu beitragen, diese teilweise zu verwirklichen. Insbesondere aufgrund der sozialen Kontakte sind wir der Meinung, dass allerdings auch zukünftig persönliche Treffen wichtig und notwendig sind. Wie so oft im Leben heißt es an dieser Stelle wohl: Auf den richtigen Mix kommt es an.