Soja und der Urwald – Die Fortsetzung

Gerne wird in der Öffentlichkeit argumentiert, die industrielle Fleischproduktion auch in Deutschland sei verantwortlich für den Raubbau im südamerikanischen Regenwald. Auf den entwaldeten Flächen entstehen Weiden sowie Sojaplantage und das Soja wird auch bei uns in der Fleischproduktion in Form von Sojaschrot verfüttert. Auch wir haben dies in einem Blogbeitrag so dargestellt. Immer wieder einmal hören wir allerdings das Argument, Sojaschrot sei ja eigentlich nur ein Neben- oder gar Abfallprodukt bei der Herstellung von Sojaöl und es könne ja nicht verwerflich sein, auch das zu nutzen, was ansonsten niemand will. Grund genug für uns, dieser Frage einmal nachzugehen….

Wir wollen uns der Antwort historisch annähern. Die Sojapflanze ist eine Leguminose (Hülsenfrucht) und wie die meisten Leguminosen ist sie nicht auf Stickstoff im Boden angewiesen. Bakterien, die sich in ihrem Wurzelwerk ansiedeln, sind in der Lage, Stickstoff aus der Luft zu fixieren. Daher wurde Soja früher zur Verbesserung des Bodens, also als Dünger, eingesetzt. Aus den Früchten, den Sojabohnen, wurde dann in sogenannten Ölmühlen Sojaöl gewonnen – und das Sojaschrot war damit ursprünglich tatsächlich ein Abfallprodukt. Im ersten Weltkrieg stieg der Bedarf an Soja in den USA dramatisch an, da Sojaöl als Rohstoff für die Herstellung von Nitrogylcerin (Bestandteil von Sprengstoff) verwendet wurde. Um das Sojaschrot weiter zu verwenden, wurden Werbekampagnen gestartet, um den Fleischkonsum anzuregen. Sojaschrot wurde folglich in großem Umfang als Futtermittel in der Tierhaltung eingeführt. Aber kann man deswegen Sojaschrot auch heute noch als Abfallprodukt bezeichnen?

Bei der Aufarbeitung der Sojabohne entstehen laut Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung aus einer Tonne Sojabohnen etwa 200 kg Sojaöl und 800 kg Sojaschrot. Mengenmäßig entsteht damit deutlich mehr Schrot als Öl. Sojaschrot wird heute, wie bereits angedeutet, in der Landwirtschaft als Nahrungsergänzung an Tiere verfüttert. Im Wesentlichen an Schweine und Hühner, in geringerem Umfang auch an Rinder – und auch in der konventionellen Milchviehhaltung.

Aber was machen wir mit dem Sojaöl? Aus Sojaöl können sogenannte Tenside für Waschmittel und Weichmacher hergestellt werden. Letztere finden sich z.B. in Klarsichtfolien oder in den Dichtungen von Kronenkorken. Es findet sich in Druckerfarben, in Kosmetika und Cremes. Insbesondere in den USA finden wir Sojaöl auch in Nahrungsmitteln wie Salatöl und Margarine. Auch in Tiernahrung wird Sojaöl eingesetzt. Außerdem kann Sojaöl zu Biodiesel weiterverarbeitet werden. Alles in allem ist also auch Sojaöl ein interessantes Produkt. Insbesondere die Verwendung als Treibstoff stellt allerdings eine Tücke dar, da die Gefahr besteht, dass wertvoller Regenwald letztlich für die Produktion von vermeintlich ökologischem Treibstoff geopfert wird. 

Stimmt es nun aber, dass das Sojaschrot nicht anderweitig verwendet werden kann? Auch hier kann man geteilter Meinung sein. Sojabohnen werden ja nicht nur für die Produktion von Öl und Schrot angebaut. Aus ihnen lassen sich auch hochwertige Lebensmittel produzieren. Der Eiweißanteil ist mit etwa 40% sehr hoch. Von Tofu, Sojasauce und Sojamilch haben bestimmt schon viele gehört. Auch Miso und Tempeh werden auf Sojabasis hergestellt. Und auch Sojaschrot wird in der Lebensmittelproduktion verwendet. Viele vegetarische Nahrungsmittel für uns Menschen enthalten also entsprechend aufgearbeitetes Soja als Ausgangsmaterial. Insgesamt werden aber nur etwa 2% der weltweiten Sojaernte direkt für Lebensmittel eingesetzt. Der Vorwurf, der manchmal an Vegetarier und Veganer erhoben wird, sie wären für die Zerstörung des Regenwalds mit verantwortlich, ist daher mit Sicherheit falsch. Unabhängig davon, ob ich nun das Sojaöl oder den Sojaschrot als Haupt- bzw. Nebenprodukt bezeichne: 98% der weltweit produzierten Sojabohnen werden nicht direkt als Nahrungsmittel für Menschen verwendet. In diesem Zusammenhang für uns auch relevant: In Südamerika werden große Flächen mit gentechnisch-veränderten Soja bepflanzt, was in Deutschland für die Nahrungsmittelproduktion nicht zugelassen ist.

Was ist denn nun das Hauptprodukt der Sojabohne und was der Abfall? Da Sojaschrot und Sojaöl immer zusammen hergestellt werden, d.h. ohne Öl kein Schrot und ohne Schrot kein Öl, ist diese Frage unseres Erachtens nicht zu beantworten. In diesem Zusammenhang macht es aber Sinn, den Wert der beider Produkte zu betrachten. 1 Tonne Sojaöl wurde in 2020 und Anfang 2021 bis Februar mit 630-850 Euro gehandelt, Sojaschrot mit ca. 450 Euro die Tonne (Stand, 1.5.2021, siehe den aktuellen Preis hier). Das bedeutet also, dass man für die 200 kg Sojaöl, die aus einer Tonne Sojabohnen entstehen, etwa 170 Euro bekommt, für die 800 kg „Abfallprodukt“ allerdings 360 Euro. In anderen Worten: 31 % des Wertes werden aus dem Öl, 69 % des Wertes aus dem Schrot gezogen. Nun mag jeder selbst entscheiden, was hier das Hauptprodukt und was der Abfall ist. Ganz offensichtlich ist es aber so, dass man mit dem Sojaschrot mehr Geld verdienen kann, als mit dem Sojaöl. 

Betrachtet man aber die Preisentwicklung für Sojaöl seit Februar 2021, erkennt man ein anderes Problem. Zuletzt ist der Preis bis Anfang Mai auf fast 1250 Euro pro Tonne gestiegen. Der Wertanteil des Öl aus den Sojabohnen steigt damit auf ca. 40%. Was war der Grund für diesen Anstieg? Ursache dieses Preisanstiegs war die Erklärung des amerikanischen Präsidenten Joe Biden, dass die USA bist 2030 ihre Treibhausgasemissionen halbieren wollen – und damit Sojaöl als nachwachsender, scheinbar klimaneutraler Treibstoff gehandelt wird.

Allerdings ist auch Sojaöl ein Produkt, welches in vielen Wirtschaftszweigen Verwendung findet. Ein besonderes Augenmerk muss darauf liegen, dass Sojaöl aus ehemaligen Urwaldregionen nicht in großem Stil im Tank landet – als angeblich klimaneutraler Treibstoff. Letzteres gilt übrigens auch für Palmöl, für dessen Herstellung ebenso Regenwald geopfert wird; allerdings nicht in Südamerika sondern in Südostasien, beispielsweise Indonesien. 

Unser Fazit: Solange beide Produkte einen kommerziellen Wert haben, kann man schlicht weder das eine, noch das andere Produkt als Abfall bezeichnen. Das meiste Geld pro eingesetzter Tonne Sojabohnen wird aktuell mit Schrot verdient. Und wäre es nicht in vielen Fällen gentechnisch verändert, so könnten auch wir Menschen die zugrundeliegenden Sojabohnen in Nahrungsmitteln verwenden (Hinweis: Andere Länder sehen die Regelungen bzgl. gentechnischer veränderter Organismen nicht so streng wie wir). Die Aussagen, Sojaschrot sei nur ein Abfallprodukt, den man nicht anders verwenden könne, erschließt sich uns daher nicht. Nur können wir es aktuell nicht in diesen Mengen anderweitigverwenden.

Übertragen auf unsere Ausgangsfrage: Vielleicht sollte eine Landwirtschaft das Ziel sein, bei der nur so viele Tiere gehalten werden, so dass die heimischen Futtermittelpflanzen für die Ernährung der Tiere ausreichen. Bei manchen Öko-/Biosiegeln ist dieses Wirtschaften für die entsprechenden Bio-Landwirte verpflichtend. 

Und ja, wenn wir weniger Sojaöl für die Mobilität haben, weil wir weniger Sojaschrot für die Tierproduktion herstellen, müssen wir dieses ersetzen. Wie wäre es mit E-Mobilität auf Basis regenerativen Stroms (Batterie oder Wasserstoff) statt Biodiesel im Verbrennungsmotor auf Basis von Soja- und Palmöl?