Was die Corona-Pandemie, der Verlust der Biodiversität und die Klimakrise gemein haben…

Bis vor kurzem beherrschte das Thema Klimawandel noch die politische Diskussion – auch hier auf unserem Blog. Mittlerweile ist es aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden. Trotzdem besteht das Problem natürlich auch weiterhin. Ähnlich ergeht es einem anderen großen Thema, dem Verlust der Artenvielfalt. Vor kurzem wurden noch das Insektensterben und der Rückgang der Vögel diskutiert, und welche Rolle dabei wohl die Landwirtschaft spielt. Auch dieses Thema – verschwunden. Das Corona-Thema dominiert. Natürlich zu Recht, wenn wir uns die Folgen auf unsere Gesundheit, die Wirtschaft, unser tägliches Leben und unsere Grundrechte anschauen. Aber gibt es zwischen diesen Themen einen Zusammenhang? Hier erfahrt Ihr mehr…..

Betrachten wir zunächst einmal ein paar wichtige Punkte zur Corona-Pandemie. Was ist Corona überhaupt? Häufig wird der Begriff zur Beschreibung einer Erkrankung verwendet, die u.a. durch schwere Atemprobleme (schweres akutes Atemwegssyndrom) charakterisiert sein kann. Diese können so stark sein, dass eine künstliche Beatmung notwendig ist. Aber eigentlich beschreibt der Begriff Corona nicht die Erkrankung, sondern den zugehörigen Erreger. Aber auch an dieser Stelle ist der Begriff unscharf. Schließlich gibt es eine ganz Familie an Corona-Viren. Diese kommen in verschiedenen Tieren, aber auch im Menschen vor. Bei uns gibt es vier Corona-Viren, die lediglich einfache Erkältungen hervorrufen und neben anderen Viren für die jährlichen Erkältungswellen im Winter mitverantwortlich sind. Drei weitere Corona-Viren sind für schwere Erkrankungen beim Menschen verantwortlich. So waren Mitglieder der Coronaviren verantwortlich für die SARS (severe acute respiratory syndrom) und MERS (middle east respiratory syndrom) Epidemien in 2002 sowie 2012. Die dazugehörigen Viren werden als SARS-CoV1 und MERS-CoV bezeichnet. Die aktuelle Erkrankung, die weltweit auftritt und daher auch als Pandemie beschrieben wird, heißt korrekt COVID-19 (corona virus disease 2019). Es wird durch ein Virus hervorgerufen, welches ähnlich zu dem Virus ist, das die SARS Epidemie ausgelöst hat, und wird daher als SARS-CoV2 bezeichnet. Die Erstbeschreibung der Erkrankung in der wissenschaftlichen Literatur ist hier zu finden. 

Woher kommt SARS-CoV2? Diese Frage ist noch nicht abschließen geklärt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass dieses Virus mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit von einem Tier auf den Menschen übertragen wurde. Diskutiert werden aktuell Fledermäuse, von denen auch SARS-CoV1 auf den Menschen übertragen wurde, aber auch Schuppentiere, wie das Pangolin, möglicherweise auch als Überträger zwischen Fledermäusen und dem Menschen. Unwahrscheinlich gilt die zuweilen im Internet aufgestellte Behauptung, dass SARS-CoV2 von Schlangen auf Menschen übertragen wurde, da in diesen bisher keine Coronaviren nachgewiesen wurden. Und die selbe Studie hat auch gezeigt, dass SARS-CoV2 nicht versehentlich in einem Labor hergestellt wurde.

Damit gehört COVID-19 zu den Zoonosen – Infektionskrankheiten, die von Tieren auf den Menschen übertragen werden können. Wenn wir uns die Liste der Erreger von bereits bekannten Zoonosen anschauen, dann ist diese ganz beachtlich: Ebola-Viren, die vermutlich von Flughunden auf den Menschen übertragen wurden; HIV, welches von Affen auf den Menschen übergesprungen ist; SARS und MERS, die von Fledermäusen auf den Menschen übertragen wurden; die Vogelgrippe, bei denen einige auslösende Viren von Vögeln auf den Menschen übertragen wurden; oder die Schweinegrippe, bei der Vorläufervarianten von Influenza-Viren den Sprung vom Tier zum Mensch geschafft hat. In all diesen Fällen sind also mehr oder minder schwere Erkrankungen dadurch entstanden, dass Erreger, die zuvor nur das Tier als Wirt kannten, den Menschen als neuen Wirt gefunden haben.

Wie kommt es zu solchen Zoonosen? Ganz einfach gesprochen: dadurch, dass der Mensch dem Tier zu nahegekommen ist. Klassischerweise, weil Menschen ihren Lebensraum ausgeweitet haben, in Bereiche vorgedrungen sind, die ursprünglich ausschließlich den Tieren zur Verfügung standen, und weil Tiere zum Verzehr gejagt werden. Für die Übertragung auf den Menschen sind beispielsweise relevant: Wasserstellen, die von Wild- und Haustieren sowie dem Menschen gemeinsam genutzt werden, oder auch Wildtiermärkte, auf denen gejagte Tiere lebend vorgehalten, geschlachtet oder zum Verzehr weiterverkauft werden. Oftmals werden dort auch bereits getötete Tiere unter nicht sonderlich hygienischen Standards aufbewahrt. Unter solchen Bedingungen ist der Übergang eines Virus auf den Menschen relativ einfach möglich.

Damit ein solcher Übergang auf einen anderen Wirt tatsächlich passieren kann, müssen sich die Viren modifizieren; sie müssen quasi für den neuen Wirt vorbereitet sein. Ganz genau: Die Erbsubstanz der Viren muss sich über die Zeit verändern. Und hier kommt die Biodiversität ins Spiel. In ökologischen Systemen, in denen 1. die Artenvielfalt besonders hoch ist, 2. jede Art aufgrund der hohen Anzahl der Population eine hohe genetische Variabilität aufweist und 3. eine ausreichend große Fläche zur Verfügung steht, können sich Viren sogar in ihren natürlichen Wirten nur schlecht verbreiten. Kommt es aber 1. zur Verkleinerung oder Fragmentierung des natürlichen Lebensraums einer Art (durch menschliche Eingriffe wie Änderungen der Landnutzung), 2. zu einer Minimierung einer Population und damit zum Verlust der genetischen Vielfalt (z.B. durch die Jagd) und 3. zur Verringerung der Artenvielfalt (durch den Eingriff in ein Ökosystem), dann breiten sich Viren auch in Tierpopulationen besser aus. Viren mit veränderter Erbinformation können sich noch besser ausbreiten und werden gleichsam selektioniert. Mit anderen Worten: die massiven Eingriffe in unsere Ökosysteme erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass ein solches Szenario, wie wir es gerade erleben, passiert. Auch hierzu gibt es eine relevante wissenschaftliche Arbeit, die zeigt, dass das massive Abholzen des Amazonas Regenwaldes (wir hatten über die Ursachen dazu hier berichtet) die Übertragung von Malaria begünstigt. 

Zum Ausbruch einer Pandemie gehört, dass Viren um die Welt reisen können. In Zeiten der Globalisierung ist dies gar nicht so schwer: Jede Menge (Geschäfts-)Reisende jetten täglich rund um die Welt. Und zumindest viele Bürger der hoch entwickelten Länder sehen es gar als ihr Recht an, jeden Winkel der Erde zu erkunden. Gehört ja schon fast dazu. Und wie viele dieser Reisenden haben vielleicht sogar selbst schon einmal einen Wildtiermarkt besucht? Muss man ja gesehen haben, ist ja landestypisch… Und dass unser Freizeitverhalten eine wichtige Rolle bei der Verbreitung von SARS-CoV2 gespielt hat, haben die Infektionsketten in Europa gezeigt. Stichworte hier sind Skifahren oder Karneval. Zusammengefasst: unsere Form des Lebens und Wirtschaftens in einer globalisierten, fast grenzenlosen Welt ist eine perfekte Voraussetzung für den Ausbruch einer Pandemie.

Womit wir uns so langsam dem Thema Klimakrise zuwenden können. Über die Bedeutung unserer Ernährung oder unserem Reiseverhalten (hier oder hier) auf das Klima haben wir bereits berichtet. Somit ist – wenn wir es mit etwas Abstand betrachten – auch die Klimakrise Ausdruck unseres Lebensstils. Und gleiches gilt für den Verlust der Artenvielfalt, sei es in fernen Ländern oder bei uns vor der Haustür. Wir in den Industrieländern leben weit über unsere Verhältnisse und überziehen seit vielen Jahren die Grenzen des planetaren Wachstums – was sich aktuell im Ausbruch der globalen Corona-Pandemie zeigt. 

Daher wollen wir heute schließen mit einem Zitat von Elizabeth Maruma Mrema, der derzeitigen Generalsekretärin für die Biodiversitätskonvention der Vereinten Nationen, die gegenüber dem Guardian mitteilte (hier zitiert nach dem Freitag)

„Die Botschaft, die wir hören, lautet: Wenn wir uns nicht um die Natur kümmern, kümmert sie sich um uns.“

Mehr zum Lesen:

Mehr über Zoonosen von unseren Ulmer KollegenInnen….